Gemäß § 1 Abs. 1 StaRUG ist die Geschäftsleitung verpflichtet, fortlaufend über Entwicklungen, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden können, zu wachen. Wenn bestandsgefährdende Entwicklungen erkannt werden, sind geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen und den Überwachungsorganen unverzüglich Bericht zu erstatten. In einem fortgeschrittenen Krisenstadium obliegt es den gesetzlichen Vertretern eine Fortbestehensprognose zu erstellen, um eine potentielle Überschuldung nach § 19 Abs. 2 S. 1 InsO und eine damit einhergehende Insolvenzantragspflicht zu prüfen. Die Fortbestehensprognose soll eine Aussage dazu ermöglichen, ob vor dem Hintergrund der getroffenen Annahmen und der daraus abgeleiteten Auswirkungen auf die zukünftige Ertrags- und Liquiditätslage ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, die im Prognosezeitraum jeweils fälligen Verbindlichkeiten bedienen zu können. In diesem Zusammenhang spielen oft finanzielle Beiträge von Dritten oder Gesellschaftern eine große Rolle. Hierbei ist entscheidend, welche Anforderungen an Finanzierungszusagen gestellt werden, um diese in der Fortbestehensprognose berücksichtigen zu dürfen.
In dem BGH-Urteil vom 13.07.2021 (II ZR 84/20) werden unterschiedlich strenge Voraussetzungen an Finanzierungsbeiträge in Bezug auf deren Eignung als Mittel zur Vermeidung der Überschuldung geknüpft. Für die Frage, ob eine Zusage von Sanierungsbeiträgen diesem Anspruch genügt, hat der BGH in seinem oben genannten Urteil einen Beurteilungsmaßstab geschaffen, welcher zwischen Finanzierungszusagen von Dritten und Gesellschaftern unterscheidet. Erstere müssen in der Regel nicht zwingend rechtlich verbindlich sein. Es kommt viel mehr darauf an, ob mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mit den Beiträgen gerechnet werden und die Sanierung damit gelingen kann.
Demgegenüber gelten strengere Anforderungen an Finanzierungszusagen von Gesellschaftern. Sogenannte weiche Patronatserklärungen, d.h. solche, die keinen rechtsverbindlichen Charakter aufweisen und dementsprechend zu keiner Liquiditätsausstattungspflicht führen, reichen nur in Ausnahmefällen aus. Dies begründet der BGH u.a. damit, dass aufgrund der weichen Patronatserklärung erhebliche Zweifel an einem Mittelzufluss bestehen, weil sich der Gesellschafter offensichtlich offenhalten möchte, die Liquiditätsausstattung jederzeit einzustellen. In seiner Urteilsbegründung nennt der BGH zwei Beispiele für außergewöhnliche Umstände, die eine weiche Patronatserklärung ausreichen lassen: Der Patron strebt mit der Ausstattung der Gesellschaft ganz überwiegend keine Gewinnerzielung an und ist aus übergeordneten Gründen zur Übernahme von Verlusten bereit bzw. im Bereich der Daseinsvorsorge dazu verpflichtet. Ausdrücklich nicht ausreichend ist der Hinweis darauf, dass der Patron in der Vergangenheit finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt hat, auch wenn diese erheblich gewesen sind.
Für die Geschäftsleitung hat das Urteil wesentliche Auswirkungen für die Berücksichtigung von Sanierungsbeiträgen im Rahmen der Fortbestehensprognose und einer potentiellen Vermeidung der Insolvenzantragspflicht aufgrund von Überschuldung. Finanzielle Beiträge von Dritten dürfen grundsätzlich einbezogen werden, wenn überwiegend wahrscheinlich ist, dass diese geleistet werden und die Sanierung damit gelingen kann. Gesellschafterbeiträge hingegen dürfen in der Regel nur dann berücksichtigt werden, wenn ein verbindlicher Anspruch der Gesellschaft besteht.
Autoren: Marie Tierhold und Maximilian Plönissen, München
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